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Kapitel 17

»Aha«, nickte Stratonike verdrossen, als ihr Krates am nächsten Morgen die Küche zeigte. »Ein Ort, der offenbar bisher nur von Männern geführt wurde.«
»Was soll das denn heißen?«
»Meine Güte, sieh dir das doch mal an. So ein Chaos! Und wo ist die Vorratskammer?«
»Da gegenüber«, erwiderte er gähnend und rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Kannst du kochen?«
»Für eine Morgensuppe wird’s reichen.«
»Ja, das wäre schön«, murmelte Krates und hievte sich einen Eimer Wasser aus der Zisterne. Na, das kann ja heiter werden! dachte er sich während der Morgenwäsche. Kein Wunder, dass die Pergamener bei ihr auf Granit stießen. Er ging in sein Zimmer, um sich anzukleiden und kehrte anschließend in den Hof zurück.
»Wo willst du essen?« fragte ihn Stratonike geschäftig.
»Am besten im Hauptraum.«
»Und dein Freund?«
»Er heißt Hippias.«
»Das weiß ich. Was ist mit ihm? Will auch er den Tag beginnen oder bis morgen früh durchschlafen?«
»Bei Hestia, was bist du denn so grantig?«
»Wieso bin ich grantig?«
»Ich zahle dir dein Geld, damit du uns den Haushalt führst und nicht unser Leben.«
»Entschuldigung, der Herr!«
Sie brachte den Suppentopf und die Schalen in den Hauptraum und stellte sie mit zwei Broten und einem Krug Wasser auf den Boden. Dann erkundigte sie sich, ob es so recht sei und verschwand wieder in der Küche.
»Das sieht aber gut aus«, befand Hippias, als er den Raum betrat.
»Ja, kochen kann sie. Aber wie es scheint, werden wir mit ihr nicht viel zu lachen haben.«
»Wieso?«
»Bei Hestia, die Frau hat Haare auf den Zähnen!«
Hippias lachte herzlich. »Höre ich da etwa eine Spur von Angst?«
Krates hob schon zu einer Antwort an, als es an der Haustür klopfte. Es war Alkamenes und der Schreiner hatte nicht nur die fehlenden Schränke geliefert, sondern auch den Esstisch, den Krates erst gestern bei ihm in Auftrag gegeben hatte. Sie halfen dem Mann beim Hereintragen der Möbel und sahen mit Freude, wie das Haus immer wohnlicher wurde.
Nachdem kurz darauf Plautos erschienen war, um mit Hippias auf die Baustelle zu reiten, verließen auch Krates und Stratonike das Haus, um auf den Markt zu schlendern. An der Hauptstraße angekommen, erkundigte sie sich, ob Krates schon einmal auf der großen Altarbaustelle gewesen sei.
»Erst einmal«, lachte Krates, »aber wir standen den Arbeitern nur im Weg und wurden schon bald verscheucht.«
Stratonike grinste. »Es ist nicht schwer, sich das vorzustellen.«
»Was hat es denn mit diesem Altar eigentlich auf sich?«
»Er verkörpert den Sieg unseres Königs über die Galater.«
Krates lachte verbittert. »Sehr interessant …«
»Was soll das denn heißen?«
»Nun, die Galater, die uns vor ein paar Tagen in Lydien überfallen haben, machten keinen sonderlich besiegten Eindruck.«
»Das mag sein«, erwiderte Stratonike verlegen. »Aber dieser Überfall, von dem du da erzählst, hat in Lydien stattgefunden. Der Altar dagegen bezieht sich auf die Zeit, als sich diese Überfälle noch vor den Toren unserer Stadt ereigneten. Ich selbst habe von diesen Auseinandersetzungen nicht viel mitbekommen, weil ich damals noch zu klein war. Aber die Galater müssen eine wahre Bedrohung gewesen sein. Sie plünderten und mordeten, wie es ihnen gerade passte und verwüsteten dabei ganze Landstriche. Nach etlichen Kämpfen konnten sie endlich mit Hilfe der Römer vernichtend geschlagen werden, was zweifellos auch durch den Willen der Götter geschah. Ein großer Teil der Kriegsbeute wurde nach Rom gebracht, aber Eumenes’ Anteil war immer noch ausreichend, um all das hier finanzieren zu können. Der Altar ist somit ein Weihgeschenk an alle Götter, die ihm bei seinem Sieg geholfen haben. Aber komm, ich möchte dich mit jemandem bekannt machen.«
Sie führte ihn über die große Rampe auf die Baustelle und näherte sich zielstrebig einem länglichen Podest, das sich von der Hauptstraße bis zur gegenüberliegenden Hangmauer zog. Auf ihm reihten sich riesige Marmorplatten, an denen zahlreiche Bildhauer gleichzeitig arbeiteten. Sie rief nach einem der Meister, der gerade mit seinen Gesellen vor einem halbfertigen Relief stand und entlockte ihm ein liebevolles Lächeln.
»Stratonike, mein Goldstück! Was führt dich her?«
»Agamemnon, ich möchte dir einen Mann vorstellen, der sich für deine Kunst interessiert. Er heißt Krates und wurde kürzlich zum neuen Leiter der königlichen Bibliothek bestellt.«
Agamemnon musterte ihn mit prüfenden Blicken. Dann reichte er Krates die Hand. »Ich freue mich dich kennenzulernen.«
»Wie lange baut ihr denn schon an diesem Altar?«
»Nun«, erläuterte Agamemnon und gab seinen Kollegen ein Zeichen vorerst allein weiterzumachen, »den Grundstein hat der König vor neun Jahren gelegt.«
»Vor neun Jahren?« wiederholte Krates ungläubig.
»Ich weiß, das ist eine lange Zeit. Doch überzeuge dich ruhig selbst, was an diesem Meisterwerk so viel Zeit kostet.«
Er führte sie um die Altarfundamente und erklärte, dass man allein für das Baugrundstück eine ganz neue Terrasse anlegen musste, weil nämlich das Gelände hier eigentlich steil nach Süden und Westen hin abfiel.
»War der Hang vorher unbebaut?« fragte Krates.
»Weitestgehend«, erwiderte Agamemnon. »Das einzige, was vorher schon existierte, befindet sich noch immer hier, nämlich das Heiligtum unseres Stadtgründers Telephos.«
»Und wo liegt das?«
Agamemnon lachte und zeigte auf den Altar. »Es liegt da drinnen. Der Altar wurde um das Heiligtum herumgebaut. Was natürlich auch kein Zufall ist, denn auf diese Weise könnte man den König gleichwohl als zweiten Stadtgründer sehen. Und dem hehren Telephos kann es nur Recht sein, denn das alte Heiligtum war im Laufe der Jahrhunderte ziemlich heruntergekommen.«
Während der hufeisenförmige Rohbau fast durchgehend von Holzgerüsten verdeckt war, hatte sie Agamemnon an eine Stelle geführt, von der aus sie den halbfertigen Altar mit seinen Friesplatten bestaunen konnten.
»Das ist der Eingang«, erklärte er ihnen. »Ungefähr hier wird später auch die Opfergemeinde stehen, während der Altar selbst natürlich nur von den Priestern und vom König betreten werden darf.«
Krates starrte beeindruckt auf das monströse Bauwerk und stellte sich vor seinem geistigen Auge vor, dass es dereinst fast doppelt so hoch werden würde wie sein Haus in der Philetaireia.
»Und was hat es mit den Friesen auf sich?«
Agamemnon strahlte und nickte Krates stolz zu. »Komm!« sagte er nur und zog ihn am Ärmel zu dem länglichen Steinpodest, an dem seine Gesellen die großen Marmorplatten bearbeiteten. Ein paar der Friesplatten waren bereits fertig und warteten auf ihre Einpassung am Rohbau.
»Beim Apollon«, stammelte Krates und staunte über die meisterhaft aus dem Stein gemeißelten Züge der Figuren, die so realistisch aussahen, dass man sie aus der Ferne betrachtet fast für echt halten konnte. Die Platten gaben eine umlaufende Szenerie wieder, die vermutlich erst dann vollständig zu verstehen war, wenn die Friese alle nebeneinander hingen. Doch schon in der Detailansicht erkannte Krates den Kampf der Götter gegen die Giganten. Muskulöse Arme kämpften verbissen um den Sieg und wahre Fleischberge von Körpern lagen am Boden oder krümmten sich vor Schmerzen. Bewundernd stand Krates vor einer Friesplatte, die gerade von einem Bildhauer bearbeitet wurde, als ihn Agamemnon unsanft nach hinten zog.
»Pass auf, Krates! Die Steinsplitter können weh tun und dir sogar das Augenlicht rauben.«
»Euer Können ist wirklich beeindruckend«, gestand er dem Meister.
»Schön, dass es dir gefällt«, sagte Agamemnon. »Aber jetzt muss ich langsam wieder an meine Arbeit. Den Rest kannst du dir ja von Stratonike erklären lassen.«
»Mach ich«, sagte sie und verabschiedete sich mit einem Handkuss.
»Woher kennt ihr euch eigentlich?« fragte Krates, den die Vertrautheit der beiden leicht irritierte.
»Mein Vater hat hier damals die Statik der Hangmauern berechnet. Eigentlich ist das Sache der Architekten, aber in diesem Fall war es so schwierig, dass sie einen Ingenieur hinzuziehen mussten. Und da sich das Ganze in die Länge zog, hat er mich ab und zu mitgenommen. Seitdem sind Agamemnon und mein Vater befreundet und wie du siehst, hat der alte Mann auch mich noch nicht vergessen.«
»Gibt es denn über diesen Altar überhaupt noch etwas zu erzählen?«
»Aber ja!« rief Stratonike begeistert. »Ich könnte dir noch stundenlange Vorträge halten, denn von allen Baustellen in Pergamon ist diese hier die spannendste.«
»Na, da finde ich aber das große Gymnasion in der Philetaireia noch eindrucksvoller.«
»Aus architektonischer Sicht magst du vielleicht Recht haben. Aber ein Gymnasion bleibt immer ein Gymnasion. Bei dem Altar hier ist das anders. Denn er hat so viele verschiedene Ebenen, auf denen man ihn verstehen kann und er steckt so voller Mehrdeutigkeiten und Anspielungen, dass du vermutlich nichts auf der Welt finden wirst, was ihm auch nur annähernd gleichkäme.«
»Das würde ich mir gerne einmal genauer anhören. Aber es wird langsam Zeit, dass ich in die Bibliothek komme. Ich werde dir gleich auf dem Markt noch einen Schlüssel nachmachen lassen, damit du in Zukunft kommen und gehen kannst, wann du willst.«
»Ja, das hört sich vernünftig an.«
Sie schritten über die Baustelle zurück zur Hauptstraße und von dort auf den oberen Markt. Krates fragte sich zu den Schlossern durch und bat sie um eine Kopie seines Haustürschlüssels. Die Handwerker hatten den Auftrag schnell erledigt und so machte er sich gleich wieder auf die Suche nach Stratonike. Als er sie bei einem der Schmiede fand, mit dem sie gerade um eine Mistforke feilschte, fiel ihm wieder auf, wie schön sie war.
»Stratonike, ich muss gleich fort. Deshalb gebe ich dir hier schon einmal den Schlüssel und einen kleinen Beutel mit Geld. Lass dir ruhig Zeit, aber ich möchte, dass du das Haus noch heute so einrichtest, wie es dir am besten gefällt. Schaffst du das?«
»Aber sicher!« erwiderte sie freudig.
Vergnügt wanderte Krates zur Oberburg hinauf. Die Vertrautheit, die sich langsam zwischen ihnen anbahnte, gefiel ihm und er fragte sich ernsthaft, ob diese vielleicht das Fundament einer intimeren Beziehung werden konnte. Am oberen Burgtor begrüßten ihn die Wächter mit einem respektvollen Nicken und traten zur Seite, um ihn durchzulassen. Er betrat das Athenaheiligtum und ging direkt zum Amtszimmer des Brasides.
»Grüß dich, Krates«, nickte ihm der alte Mann zu. »Du bist ja sehr pünktlich. Das gefällt mir. Hier habe ich den Schlüssel, den du gut aufbewahren solltest. Wenn du Pergamon verlässt, musst du ihn hier wieder abgeben.«
Krates nickte und nahm das schwere Schlüsselbund an sich. »Und die kleineren Schlüssel?«
»Gehören zu verschiedenen Schränken und Türen in der Bibliothek und im Museion. Und nun geh. Deine Schreiber warten schon.«
Meine Schreiber? dachte sich Krates, nickte dem Oberpriester aber nur ehrerbietig zu und eilte über das Treppenhaus ins Obergeschoss. Vor der Tür zur Bibliothek standen vier junge Männer, die auf irgend jemanden zu warten schienen.
»Bist du Krates?« fragte ihn der Jüngste.
»Das bin ich«, antwortete er verblüfft. »Und wer bist du?«
»Mein Name ist Artemon, und ich bin der Sohn deines Nachbarn Theseus. Ich habe für Dositheos häufig als Schreiber gearbeitet und würde es unter deiner Leitung gerne wieder tun.«
»Richtig«, entsann sich Krates. »Dein Vater hatte mir von dir erzählt. Dann nehme ich an, seid ihr die anderen Schreiber?«
Die drei Männer stellten sich per Handschlag vor und folgten ihm in die kühlen Räume der Bibliothek. Dort setzte er sich mit ihnen an den großen Tisch im Hauptsaal und holte seine Wachstafeln heraus.
»Wie ihr wisst, bin ich neu hier. Und auch, wenn ich mich mit Bibliotheken hinreichend auskenne, möchte ich mich doch natürlich so gut wie möglich auf die hiesigen Gepflogenheiten einstellen. Leonidas«, wandte er sich an den Dienstältesten seiner Schreiber, der vielleicht zehn Jahre älter war. »Was kannst du mir über den Bestand dieser Bibliothek erzählen?«
»Nun«, setzte Leonidas an, »nach unserer letzten Zählung im Winter haben wir hier knapp zweihundertfünfundsechzigtausend Schriftrollen gesammelt.«
Krates rang nach Luft. »Sagtest du zweihundertfünfundsechzigtausend?«
»Ganz recht«, bestätigte Leonidas gelassen. »Und damit sind unsere Kapazitäten noch bei weitem nicht erschöpft. Dein Vorgänger Dositheos hatte einst errechnet, dass die Bibliothek in ihren beiden Etagen rund vierhunderttausend Rollen aufnehmen könne. Aber so weit sind wir noch nicht. Die meisten Schriften stellen philosophische oder wissenschaftliche Abhandlungen und Kommentare dar. Aber wir haben auch fast alle Dramen, Epen und Geschichtswerke.«
»Ich werde wohl meine Zeit brauchen«, gab Krates zu, »um mir hier einen lückenlosen Überblick zu verschaffen. Aber bei so vielen Werken drängt sich natürlich die Frage auf, nach welchen Kriterien die Bibliothek eigentlich sortiert ist.«
»Das ist ganz einfach«, meldete sich der Schreiber Demetrios zu Wort. »Sie ist gar nicht sortiert. Und wie willst du das auch machen, bei über zweihundertfünfzigtausend Schriften?«
»Aber wie soll man sich dann hier zurechtfinden?«
»Übung«, antwortete Leukippos, der dritte der Schreiber, der sich etwa in Krates’ Alter befand.
Krates erinnerte sich an das Pisidische Kochbuch, das er neben den Dramen und Geschichtswerken gefunden hatte und schüttelte nachdenklich den Kopf. »Bei allem Respekt, Leukippos, mir kann keiner erzählen, dass er sich zweihundertfünfundsechzigtausend Titel merken kann. Schließlich dürfen wir auch nicht vergessen, dass wir uns in Konkurrenz zu den großen Bibliotheken in Alexandria und Athen befinden: Was nützt uns die größte Schriftensammlung, wenn die Gelehrten nicht finden, wonach sie suchen? Da muss es einen besseren Weg geben. Aber darüber kann ich mir auch morgen noch Gedanken machen.
Dein Vater, Artemon, hat mich übrigens gebeten, dich in die stoische Philosophie einzuführen. Wie du vielleicht schon weißt, habe ich mich einverstanden erklärt.« Krates machte eine kurze Pause und lächelte dabei seinen Schreibern zu. »Wenn ihr wollt, könnt ihr euch dazusetzen. In der Gruppe lernt es sich immer besser als allein.«
Die Schreiber nickten freudig und bedankten sich für das Angebot.
»Was mich jetzt noch interessiert«, fuhr Krates fort, »ist der Neuzugang der Schriften und euer Aufgabenbereich innerhalb der Bibliothek.«
»Nun«, begann Artemon und erhielt als Zustimmung, dass er das Gespräch übernehmen durfte, das Nicken seiner älteren Kollegen, »Pergamon zieht immer wieder Philosophen und Wissenschaftler an, die hier vorbeikommen und uns ihre Schriften ausleihen oder in die Feder diktieren.«
»Es könnte aber auch nicht schaden«, fuhr Demetrios fort, »wenn du deinerseits wissenschaftliche Kontakte knüpfst und pflegst und ausländische Wissenschaftler und Philosophen, Dichter und Geschichtsschreiber dazu animierst, uns ihre Gedanken und Schriften auszuleihen, zu kopieren oder persönlich vorbeizukommen und zu diktieren.«
»Mit dem größten Vergnügen«, erwiderte Krates.
Sie verabredeten sich auf den kommenden Vormittag und verließen die Bibliothek. Als Krates seine Haustür aufschloss, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen: In der hinteren Ecke gegenüber der Eingangshalle stand ein großer Tontopf mit einem kleinen Bäumchen und das ganze Haus roch nach Rosen. Verwundert schaute er in den Pferdestall und begrüßte Pluto. Der Boden war sauber und mit frischem Stroh versehen und auch Pluto hatte genügend Heu und Wasser. Krates klopfte ihm auf die Flanke und ging zurück in die Eingangshalle, um einen Blick in den Speisesaal zu werfen. Die Tischliegen, die sie am Morgen aufgestellt hatten, waren mit Decken und Kissen versehen und auf dem Boden lagen duftende Blütenblätter. Kopfschüttelnd ging er in die Küche, in der das Abendessen schon in den Töpfen stand und die dermaßen aufgeräumt war, wie er es noch nicht einmal aus Melas Küche in Mallos kannte.
Er setzte seinen Weg ins Haupthaus fort und warf einen Blick in das von ihnen sogenannte Gästezimmer. Das Bett war neu bezogen, auf dem Nachttisch stand ein Öllämpchen und im Schrank lag ein Stapel frischer Handtücher. Er freute sich über das frische Grün in der Vorhalle und tastete in die feuchte Erde des Tonkübels. Er selbst wäre nie auf die Idee gekommen sich hier einen Baum hinzustellen. Aber beim Apollon, was für ein zauberhafter Einfall! Sein Studierzimmer war fertig eingerichtet und nur die leeren Regale der Schränke warteten noch darauf, mit seinen Schriften gefüllt zu werden.
Krates lachte fröhlich und ging ins Obergeschoss. Auch hier hatte Stratonike zwei große Pflanzen hingestellt. Einen weit ausladenden Farn im Treppenhaus und eine kleine Palme auf die Galerie. Er klopfte an Hippias’ Tür, erhielt jedoch keine Antwort. Dann ging er in sein eigenes Zimmer, das nunmehr vollkommen eingerichtet war. Stratonike hatte seine Kleider aus den Reisesäcken genommen und in den großen Wandschrank geordnet, der rechts von der Tür stand. Fast überkam ihn ein schlechtes Gewissen; hatte Plautos nicht gesagt, dass seine Tochter all das noch lernen müsse? Auf jeden Fall hatte sie ihre Sache gut gemacht und Krates war glücklich, eine so gute Haushälterin gefunden zu haben.
Er zog sich die Schuhe aus und ließ sich aufs Bett fallen.
»Meine Güte«, lachte Hippias, als er Krates durch dessen geöffnete Zimmertür auf dem Bett liegen sah. »Das Paradies ist zu uns gekommen und alles, was dir dazu einfällt, ist Schlafen.«
Krates rieb sich die Augen und gähnte. »Da bist du ja endlich. Hast du Hunger?«
»Und wie! Ich hab schon gesehen, Stratonike hat uns etwas zubereitet. Geh ruhig schon vor, ich komme gleich nach.«
Krates begab sich in die Küche und schaute in den großen Topf, der immer noch warm war: Linsensuppe mit Speck. Daneben standen eine große Schale mit Salat, zwei Fladenbrote und das entsprechende Geschirr. Diese Frau ist wirklich ein Wunder, dachte er schmunzelnd und trug die Suppenschüsseln in den Hauptraum.
Der neue Esstisch erwies sich als guter Kauf. Sie hatten genügend Platz für alle Schüsseln und Schalen und gönnten sich zu ihrem Essen einen Schluck des Weines, den Krates an ihrem ersten Tag auf der Agora gekauft hatte.
»Hmm«, urteilte Hippias, »der ist gar nicht so übel. Also, mein Freund, lass uns auf unseren ersten Arbeitstag trinken!«
»Da bin ich dabei«, rief Krates und hob ebenfalls seine Tinkschale. Sie prosteten sich zu und tranken die Schalen mit einem Schluck aus.
»Was sagst du denn zu unserer neuen Haushälterin?«
»Bei Hestia! Was für eine Frage, Krates. Ich bin begeistert!«
»Ja, sie ist wirklich ein Geschenk. Aber wenn sie ihre Sache weiterhin so gut macht, bekomme ich noch Gewissensbisse wegen der drei Kistophoren, die ich ihr pro Woche zahle.«
»Ach, Unsinn«, wand Hippias ein. »Vergiss nicht, dass sie all das macht wegen der drei Kistophoren. Und nur, weil du jetzt ein reicher Mann bist, musst du nicht gleich mit deinem Geld um dich werfen.«
»Erzähl, wie war dein erster Arbeitstag?«
»Faszinierend! Diese Wasserleitung ist wirklich ein Riesenprojekt. Aber ich wüsste ehrlich gesagt noch gar nicht, wo ich mit meinem Bericht anfangen soll. Gib mir noch ein, zwei Tage Zeit, bis ich mich dort richtig eingelebt habe. Dann werde ich dir mehr erzählen können. Und vielleicht findest du ja auch die Zeit, mich irgendwann einmal zu begleiten.«
»Ja, ich glaube, das wird das beste sein. Dann werde ich auch verstehen können, was du mir erklärst.«
»Und wie ist es bei dir gelaufen?«
»Nun, mein Arbeitstag war nicht minder spannend. Am Vormittag hat mich Stratonike über die Altarbaustelle geführt und dieser Bau ist wirklich beeindruckend! Danach habe ich mir den Schlüssel zur Bibliothek besorgt und mich mit den Schreibern unterhalten.«
Sie hätten sich gerne noch mehr erzählt, doch sie waren beide so voll von neuen Eindrücken, dass ihnen im Moment nicht nach Reden zumute war. Glücklicherweise kannten sie sich lange genug, um ihre Freundschaft auch in der Stille genießen zu können und so erfreuten sie sich am guten Wein und der angenehmen Kühle des Abends im Zwiegespräch mit sich selbst. Als es schließlich dunkel wurde, räumten sie den Tisch ab und beschlossen, den Tag einmal früh zu beenden, um morgen ausgeschlafen und vor allem rechtzeitig aufzuwachen. Und rechtzeitig, darüber waren sie sich mit heiterem Gelächter einig, bedeutete nichts anderes als vor dem Eintreffen Stratonikes.